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Saarbrückens Goldener Kitt - Offener Realisierungswettbewerb: Ort der Erinnerung an die Opfer der Homosexuellenverfolgung

Vision von 

Julia

Jahr

2025

Art

1. Preis

 

Der Entwurf integriert bewusst den bestehenden städtebaulichen Kontext und greift dabei auf
ortsspezifische Elemente zurück, wie die Pflastergestaltung des Künstlers Paul Schneider und die prägnanten, sich im Herbst goldfärbenden Gingko-biloba-Bäume. Das vorhandene Pflaster wird wiederverwendet, gesägt, neu verlegt und der Platz somit barrierefrei erschlossen.

Im Pflasterbelag wird durch die Entnahme einzelner Steine ein Riss erzeugt, der sinnbildlich für den Schmerz und das Herausfallen des Individuums aus der vorherrschenden heteronormativen Ordnung steht.
Gleichzeitig liegt in diesem Akt des Aufbrechens eine transformative Kraft: die Möglichkeit,
bestehende Strukturen zu hinterfragen und zu verändern.

Der Riss wird nach dem Prinzip der traditionellen japanischen Reparaturmethode Kintsugi gefüllt. Diese Technik, bei der Bruchstellen von Keramik mit Lack und goldfarbener Kittmasse
hervorgehoben werden, verleiht dem reparierten Objekt eine neue, würdevolle Ästhetik. Statt den Schaden zu verbergen, wird er bewusst sichtbar gemacht und neu interpretiert: als Zeichen von Widerstandsfähigkeit, Transformation und Stärke. Analog dazu wird der Riss im Pflaster mit einem reflektierenden Kittmaterial ausgefüllt, bestehend aus spiegelnden Mosaiksteinen, Messing, Terrazzo oder geschliffenem und poliertem Estrich. In Zusammenarbeit mit Akteur*innen der queeren Gemeinschaft vor Ort können zusätzliche Elemente wie Beschriftungen in das Kittmaterial hinzugefügt werden.

Die Materialität dieses Füllstoffes erfüllt mehrere Funktionen: Einerseits wird der Gedenkort als hochwertiger und von Weitem sichtbarer Impuls im Stadtraum etabliert, andererseits erzeugt die Spiegelungsfähigkeit des Kitts eine interaktive Dimension. Jede*r Besucher*in sieht sich in der reflektierenden Oberfläche selbst, was zur Auseinandersetzung mit der eigenen Perspektive und Haltung gegenüber Vielfalt und Toleranz anregt.
Treffen mehrere Personen an diesem Ort aufeinander, verschmelzen ihre Spiegelbilder zu einem kollektiven Abbild menschlicher Diversität. Der Riss und sein goldener Kitt durchbrechen nicht nur die Pflasterstruktur, sondern senden auch eine symbolische Botschaft in den urbanen Raum: Sie fordern dazu auf, gesellschaftliche Begrenzungen zu hinterfragen, unter die Oberfläche zu gucken und Vielfalt als bereicherndes Element zu begreifen. 

Die umgebenden Solitärbäume erhalten durch vergrößerte Grünflächen neue Bedeutung. Robuste, artenreiche Waldsaumpflanzen fördern Biodiversität, blühen zu verschiedenen Jahreszeiten und schaffen eine intime Atmosphäre ohne den Zugang zu Sitzbänken oder Wegen zu versperren.

Der Gedenkort wird so zu einem Ort der Erinnerung und gleichzeitig zu einem lebendigen, offenen Raum. Der „Goldene Kitt“ steht als mahnendes und hoffnungsvolles Symbol: für Verantwortung, Sichtbarkeit und die Anerkennung queerer Vielfalt als Teil einer gerechten Gesellschaft. 

Goldener Riss als Impuls im Stadtraum


 

Interaktion durch Einbindung Digitaler Informationen, Reflexion, Nachtwirkung